Ein Kommentar von Prof. Dr. Ion-George Anghelescu
Schnelligkeit des Wirkungseintritts, der Wirkungsweise, sowie Auswirkungen auf Teilbereiche der Schizophrenie und Dyspepsie als mögliche Nebenwirkung von Xanomeline-Trospium
Die Erforschung neuartiger Behandlungsmöglichkeiten für Schizophrenie steht in der psychiatrischen Forschung stets an vorderster Front, insbesondere bei der Suche nach Medikamenten, die die schwächenden Symptome der Erkrankung lindern und gleichzeitig die Nebenwirkungen minimieren. Die jüngste randomisierte klinische Studie unter der Leitung von Kaul und Kollegen zur Wirksamkeit und Sicherheit des Kombinationspräparats Xanomelin-Trospiumchlorid stellt einen bedeutenden Fortschritt in diesem Bereich dar. Die vielversprechenden Ergebnisse dieser Studie verdeutlichen den einzigartigen Wirkmechanismus von Xanomeline als Antipsychotikum, das nicht auf einer direkten Blockade der Dopaminrezeptoren beruht, einem üblichen Merkmal herkömmlicher Antipsychotika, das häufig zu einer Vielzahl von unerwünschten Wirkungen führt.
Prof. Dr. Ion Anghelescu und Prof. Dr. Michael Dettling, geschäftsführende Direktoren und Chefärzte des Instituts für Seelische Gesundheit Berlin, geben einen ausführlichen Kommentar zu dieser bahnbrechenden Studie:
In ihrer ausgezeichneten Arbeit(1) liefern Kaul und Kollegen vielversprechende und erstaunliche Ergebnisse einer prospektiven, randomisierten, placebokontrollierten Studie bei akuter Schizophrenie mit einem neuen Wirkstoff, Xanomelin, der als Antipsychotikum ohne direkte Dopaminrezeptorblockade wirkt. Um die peripheren cholinergen Nebenwirkungen zu minimieren, wurde Trospium zu Xanomelin hinzugefügt. Diese Phase-IIIa-Studie könnte als Zulassungsstudie für diesen Wirkstoff auf dem Weg zur Zulassung durch die FDA dienen.
Ungeachtet der Tatsache, dass Xanomelin ein M1/M4-präferierender Muscarinrezeptor-Agonist ohne direkte D2-Dopaminrezeptor-Blockade ist, wäre es wichtig zu wissen, ob und welche indirekten Wirkungen es auf das dopaminerge System hat, z. B. partielle Agonisteneffekte z. B. auf D3 – wie Cariprazin – oder D4-Rezeptorantagonisteneigenschaften zusammen mit schwachen D2-Blockierungseigenschaften wie bei Clozapin(2), einem bisher einzigartigen Antipsychotikum hinsichtlich Rezeptorprofil und Wirksamkeit.
Zusammen mit dem peripheren Anticholinergikum Trospium scheinen die Verträglichkeit und Sicherheit recht gut zu sein, abgesehen von klinisch nicht signifikanten vorübergehenden Erhöhungen des Blutdrucks und der Herzfrequenz sowie subjektiven gastrointestinalen unerwünschten Ereignissen. In diesem Zusammenhang wäre es interessant zu wissen, ob z. B. Protonenpumpenhemmer wie Pantoprazol als Begleitmedikation zur Behandlung oder gar Verhinderung einer initialen Dyspepsie eingesetzt wurden.
Hinsichtlich der Wirksamkeit weisen die Autoren darauf hin, dass indirekte Vergleiche auf eine ähnliche Wirksamkeit wie bei D2-basierten Antipsychotika hindeuten.
Wir weisen jedoch darauf hin, dass es bemerkenswerte Unterschiede in der Schnelligkeit des Wirkungseintritts geben könnte, da einige der D2-basierten Antipsychotika bereits nach 3-7 Tagen erhebliche Ansprechraten zeigen(3).
Möglicherweise liegt der Hauptvorteil von Xanomeline bei den Negativsymptomen, was sich am besten bei Patienten mit vorherrschenden und/oder ausgeprägten Negativsymptomen(4) beurteilen lässt, die in dieser Studie nicht zu den Einschlusskriterien gehörten. Die in dieser Studie festgestellte Verbesserung bezieht sich eher auf sekundäre Negativsymptome, die als Folge der verringerten positiven Symptome bei Patienten mit akuter Psychose auftreten. Vielleicht noch schwieriger sind mögliche Verbesserungen der kognitiven Symptome, die durch neuropsychologische Tests untersucht werden sollten(5).
Autoren:
Ion-George Anghelescu, MD
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Institut für Seelische Gesundheit Berlin, Berlin, Deutschland
Michael Dettling, MD
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Institut für Seelische Gesundheit Berlin, Berlin, Deutschland
Referenzen
1. Kaul I, Sawchak S, Walling DP, et al. Efficacy and safety of xanomeline-trospium chloride in schizophrenia: a randomized clinical trial. JAMA Psychiatry.2024; May 1:e240785. doi: 10.1001/jamapsychiatry.2024.0785.
2. Jann MW. Clozapin. Pharmacotherapy. 1991;11(3):179-195.
3. Anghelescu IG, Janssens L, Kent J, et al. Does early improvement predict repsonse to the fast-dissociating D2 recptor antagonist JNJ-37822681 in patients with acute schizophrenia? Eur Neuropsychopharmacol. 2013;23(9):1043-1050. Doi: 10.1016/J.euroneuro.2012.08017.
4. Marder SR, Alphs L, Anghelescu IG, et al. Issues and perspectives in designing clinical trails for negative symptoms in schizophrenia. Schizophr Res. 2013; 150(2-3):328-333. Doi: 10.1016/j.schres.2013.07.058.
5. Guo JY, Ragland JD, Carter CS. Gedächtnis und Kognition bei Schizophrenie. Mol Psychiatry. 2019; 24(5):633-642. doi:10.1038/s41380-018-0231-1.
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